Sturz ins Gleisbett: Mutige Rettung für Rollstuhlfahrer
„Sie schickte der Himmel.“ Das Motto der Rotenburger Werke, das Geschäftsführer Thorsten Tillner zitiert, es könnte an diesem Abend nicht passender sein. Denn die Freunde Paul Haeckermann, Jonathan Wrogemann, Robin Hastedt und Philipp Blanken sowie Taxifahrer Andrej Den Hoed haben Anfang September einen jungen Bewohner gerettet, der am Rotenburger Bahnhof zu nah an die Bahnsteigkante gekommen und mit seinem elektrischen Rollstuhl in das Gleisbett gestürzt war. Am Dienstagabend gab es dafür von Thorsten Tillner und Betreuerin Susanne Schmidt-Kuhle, Bürgermeister Torsten Oestmann sowie Polizeichef Jörg Wesemann und seiner Kollegin Anja Otten im Rathaus ein dickes Dankeschön und eine große Überraschung für die Lebensretter.
Die vier Freunde hatten auf den Zug nach Hamburg gewartet, der junge Rollstuhlfahrer sei ein wenig hin- und hergefahren. „Wir hatten ihn noch gesehen, dann hörten wir ein Rumpeln und plötzlich war er weg“, erzählt Paul Haeckermann. Die Freunde sind daraufhin sofort zur Bahnsteigkante gerannt, „denn wir wussten, dass der Zug in den nächsten Minuten kommt“. Und während Philipp Blanken mit der Leitstelle telefonierte, haben die anderen gemeinsam mit Andrej Den Hoed, der das Ganze gesehen hatte und ebenfalls sofort zu Hilfe geeilt war, Paul Laarz aus dem Gleisbett geholfen und Erste Hilfe geleistet. „Ich war zu nah an den Gleisen und dann bin ich reingefahren – ich dachte schon, das wäre das Ende“, erinnert sich der Werke-Bewohner an diesen Schreckmoment zurück. Doch ohne Zögern haben die Freunde, die teilweise Mitglieder der Freiwilligen Feuerwehr sind, und der Taxifahrer gehandelt. Anschließend haben sie gewartet, bis Paul Laarz sicher im Krankenwagen saß und der Rollstuhl, den sie ebenfalls noch holen konnten, verstaut war.
Aus den Augen, aus dem Sinn? Nicht ganz: Dass an diesem Abend neben den Lebensrettern – nur Andrej Den Hoed konnte leider nicht dabei sein – auch der Gerettete mit am Tisch sitzt, ist einem Zufall zu verdanken. Genauer gesagt: „Einer 26er Hollandaise Huhn“, erzählt Haeckermann und lacht. Dank der Auslieferung einer Pizza in seinem Zweitjob hat er ein paar Wochen später Paul Laarz wiedergetroffen. Nach zwei Wochen im Krankenhaus und mehreren Frakturen im Gesicht geht es diesem heute schon deutlich besser. „Nur durch einen Metalldetektor darf ich erstmal nicht“, sagt er und grinst.
Ein wenig Zeitdruck sei schon da gewesen, geben die Vier im Nachhinein zu – die Lichter des Zuges hatten sie in der Ferne bereits bemerkt. Aber nicht zu helfen, sei keine Option gewesen. Auch weitere Wartende seien dazu gekommen, hätten ihre Hilfe angeboten, erinnern sich die Freunde. Natürlich müsse man immer vorsichtig sein und an den Eigenschutz denken, betonen sowohl Torsten Oestmann als auch Jörg Wesemann – Warnungen sind gerechtfertigt. Auch die Familien, die zum Teil im Rathaus dabei sind, waren zunächst in Sorge, als sie von der Aktion gehört haben. Doch letztlich „habt ihr ein Menschenleben gerettet, nicht lange überlegt, sondern gehandelt“, betont der Bürgermeister. Und darauf sind die Eltern mächtig stolz, das merkt man ihnen an. „Ihr habt das zusammen gemacht, automatisch. Das ist total klasse“, schließt sich der Rotenburger Polizeichef an.
Und auch Thorsten Tillner lobt: „Das ist ziviles Engagement, wie ich es mir wünsche.“ Das habe er selber schon deutlich anders erlebt. „Das spricht für Rotenburg!“ Als Anerkennung für die Rettung hatte Bürgermeister Torsten Oestmann Rotenburger Zehner dabei, doch das besondere Dankeschön überreichte Thorsten Tillner: „Wir haben überlegt, wie wir euch eine Freude machen können“, so der Werke-Geschäftsführer. Die Antwort fand sich an einem Wochenende im Juni: Die Lebensretter bekommen Wochenendtickets für das Hurricane in Scheeßel. Und auf der Dienststelle der Polizei auf dem Festival sind sie ebenfalls zu einem Blick hinter die Kulissen eingeladen.