Bebilderter Vortrag zur Kulturgeschichte der Frauenhose Dr. Gundula Wolter
Am 15. Oktober 2015 um 20 Uhr im
Rotenburger Rathaus, Eintritt: 3 €
Bebilderter Vortrag zur Kulturgeschichte der Frauenhose
Dr. Gundula Wolter
,,Lieber sterb ich,
als meiner Frau die Hosen zu lassen …“
Das heute scheinbar so selbstverständliche weibliche ‘Recht auf Hosen‘ ist erst jüngsten Datums. Es ist das Ergebnis eines Jahrhunderte währenden Kampfes um die Hose, bei dem Frauen aus den unterschiedlichsten Motiven heraus Männern das von ihnen seit dem Spätmittelalter reklamierte Hosenprivileg streitig machten - mal diskret taktierend, mal lärmend fordernd. Bei der allmählichen Übernahme von Hosen ging es um wesentlich mehr als um eine der üblichen modebedingten Veränderungen im weiblichen Kleiderverhalten. Tatsächlich zeigte sich hierin das Bestreben nach einer Neuordnung des Geschlechterverhältnisses - ein
Hintergrund, der die oftmals heftigen öffentlichen Reaktionen erklärt, mit denen hosentragende Frauen in der Vergangenheit konfrontiert waren. Eine gehörige Portion Zivilcourage bewies z. B. Amelie Bloomer, amerikanische Frauenrechtlerin der ersten Stunde, die Mitte des 19. Jahrhunderts eine radikale Reformierung der Frauenkleidung anstrebte. Das von ihr und ihren Mitstreiterinnen getragene ‘neue Kostüm‘, bestehend aus knielangem Kleid und türkischen Hosen, wurde von der Mehrheit ihrer Zeitgenossen als Kampfansage an das männliche Geschlecht interpretiert und entsprechend vehement zurückgewiesen. Ähnlich herausfordernd wirkten modebewusste Damen, die den Hosenvorschlägen Pariser Haute Couturiers um 1911 folgten. Ihre eleganten Beinkleider wirkten derart provokativ, dass die Polizei sie vor Übergriffen schützen musste. Noch in den sechziger Jahren verweigerten einige Schulen, Restaurants und Büros Frauen in Hosen den Zutritt, wurden Frauenhosen nicht selten als Verstoß gegen Sitte und Anstand gewertet und selbst heute wird das Kleidungsstück nicht immer als passend empfunden.
Weniger spektakulär, aber nicht minder schwierig gestalteten sich die Hosenübernahmen im Bereich der Sportkleidung. Auch hier ging es vorrangig um frauengemäße Verhaltensweisen und weniger um funktionelle Aspekte. Denn wie der Turnpädagoge Moritz Kloß 1871 bemerkte: „Der Knabe soll in Dur, das Mädchen in Moll turnen“. Erst als es auch im Frauensport ‘heftige Übungen‘ gab, wurden Turnhosen für Frauen ein Muss. Mit der schrittweisen Etablierung des weiblichen Beinkleides als Gesellschafts-, Sport-, Berufs- und Alltagskleidung, endete eine Tradition, in der sich Männer prinzipiell durch Hosen und Frauen durch Röcke kennzeichneten. Ob nun diese kleidersprachliche Annäherung der Geschlechter auch als Zeichen für eine Auflösung der Geschlechterpolarität gewertet werden kann, ist - neben kleider- und modehistorischen Skizzierungen - Thema des Vortrags.
Gundula Wolter, Modeexpertin und Autorin, Berlin
Studium Kunst und Grafik-Design sowie Textiles Gestalten und Kunstgeschichte, 1993 Promotion. 1994 – 2008 Gastprofessorin an der Hochschule der Künste Berlin und 2007-2008 an der Kunsthochschule Berlin-Weissensee. Seitdem freiberuflich tätig. Forschungsschwerpunkte: Europäische Kleidungsgeschichte, Kulturgeschichte der Hose, Kleidung und Geschlecht, die Sprache der Kleider, Körper nach der Mode, Mode in der Karikatur, Kunst und Mode, Modestadt Berlin. 1.Vorsitzende des netzwerk mode textil e. V., zur Förderung der kulturwissenschaftlichen Textil-, Kleider- und Modeforschung. Monografien, Herausgaben, Aufsätze und Vorträge zu Themen der Mode-, Kleidungs- und Geschlechtergeschichte, der Modekritik und Modekarikatur sowie zu aktuellen Trends und Dresscodes. Teilnahme an fachbezogenen Rundfunk- und Fernsehsendungen.